Dienstag, 13. September 2011

Morgen??? - Fangt einfach an, der Rest kommt von allein!


Magandang araw!
Kamusta ka na?

Guten Tag! Wie geht es dir? Phrasen wie diese sind mittlerweile Alltag für mich geworden, denn seit über einer Woche arbeite ich nun im Slum während nebenbei fleißig Tagalog gelernt wird.

Vor gut 2 Wochen haben wir uns das erste mal mit unserem richtigen „Chef“ (Father Artur) getroffen, der bis dahin in Australien war, und haben mit ihm alle noch offenen Fragen besprochen. Vor allem die eine Frage brannte uns auf der Seele:
Wann werden wir mit unserer Arbeit anfangen? - Morgen!
Morgen???? - Fangt einfach an, der Rest kommt von allein.

Gesagt, getan. Am nächsten Tag wurden Korbi und ich, bewaffnet mit Buntstiften und Malblättern auf unsere Schüler losgelassen. So sind wir mit einem Repertoire von 5 - 10 Sätzen Tagalog, einem mulmigen Gefühl im Bauch und ohne wirklichen Plan losmarschiert um uns unserer Aufgabe als „Lehrer“ zu stellen. Zum Glück haben uns die Teachers von Puso sa Puso die ersten Male immer begleitet, da wir sonst nicht einmal unsere Kids gefunden hätten, da das Slum (das Viertel heißt Parola) mit seinen tausend verwickeltem Gassen einem Labyrinth gleicht.

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Kurzer Exkurs zu meiner Arbeit: Korbi und ich haben jeder 21 Kinder, im Alter von 3 – 6, die es zu unterhalten, betreuen aber vor allem zu unterrichten gilt. Dazu haben wir die Kinder in 7 Gruppen á 3 Kinder aufgeteilt. Unser Stundenplan schaut im Moment so aus, dass wir Montags und Mittwochs sowohl morgens als auch nachmittags jeweils 2 Gruppen haben. Die restlichen Tage: Frühs arbeiten, nachmittags Sprachschule. (Das ist nicht immer stressfrei)
Den Kindern sollen Grundkenntnisse, wie zum Beispiel die Zahlen, Buchstaben, einige englische Begriffe, und motorische Fähigkeiten (Stift halten, ausmalen, etc.), möglichst spielend beigebracht werden. Nebenbei soll ihnen durch den regelmäßigen Unterricht eine gewisse Ordnung und Disziplin vermittelt werden, um sich an das spätere Schulleben zu gewöhnen. Trotz allem soll der Spaß an der Sache für die Kinder nicht verloren gehen.
Das Ziel des Ganzen ist es, die Kinder auf die Schule vorzubereiten, damit sie dort bestehen können. Die Schule ist hier zwar prinzipiell für alle zugänglich, allerdings müssen das Geld für Schulsachen, -uniform und Fahrtkosten von den Eltern übernommen werden. Das ist oftmals viel Geld für diese Familien, deshalb sollte das Kind in der Schule zumindest nicht untergehen. Und viele der Grundfähigkeiten können daheim nicht vermittelt werden, weil entweder die Zeit und\oder das liebe Geld fehlt oder das Kind vernachlässigt wird. So, das war das.
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Dass wir wissen wo die Kinder wohnen ist für uns deshalb so wichtig, weil wir direkt daheim, in ihren Häusern den Unterricht halten. Während mittlerweile nicht mehr alles vollkommenes Neuland für mich ist waren die ersten Stunden wirklich hart und Nerven aufreibend . Das alles ist eine ganz neue Erfahrung für mich. Eine fremde Kultur unter komplett anderen Umstände, Mittelpunkt vieler Menschen die mir Sachen hinterher rufen, (Hey Joe, what's your name? …) und ich kann die Sprache nicht sprechen! Aber ich als Fremdkörper, soll den Kindern Sachen beibringen???

Aus diesem Grund sind die ersten „Unterrichtsstunden“ viel mehr dazu angedacht gewesen, sich an den Slum zu gewöhnen und sich mit den Umständen und den Familien bekannt zu machen. Bis jetzt habe ich deshalb den meisten Kindern einfach Stifte und Blätter zum Ausmalen gegeben. Dieses Prinzip versteht jedes Kind und es bereitet Freude.
Meine Beobachtung bis hierhin ist, dass das Slum nicht so schlimm ist wie ich es anfangs wahrgenommen habe. Das liegt daran, dass wir im vorderen Teil des Slums arbeiten, in dem alles relativ sauber gehalten ist und zum anderen, dass man sich vermutlich einfach an die Umstände gewöhnt. Immerhin ist es das Zuhause von einer Unmenge von Leuten, die dort auch so angenehm wie möglich leben wollen. Die Eltern sind meistens sehr nett zu mir und versuchen auch oft mit mir zu reden, was leider, aufgrund meiner Tagalog Unkenntnis, noch nicht so gut klappt. Sie sind mir auch eine sehr große Hilfe, in dem sie ihre Kinder motivieren und Sachen auf Tagalog erklären. Sie sind sehr interessiert in meine Arbeit und freuen ich sehr darüber. Zumindest bin ich bisher noch auf keine negative Resonanz gestoßen. Das gibt mir auf gibt mir auf jeden Fall viel Mut für die Zukunft, dass ich hier das Richtige mache und meine Arbeit als Hilfe wahrgenommen wird.

Die Kinder selbst sind alle total goldig und liebenswürdig. Sie sind einfach verdammt knuffig :D Natürlich alle auf ihre eigene Weise, keins ist wie das andere. Viele sind (ich hoffe mal jetzt noch) ziemlich schüchtern und deshalb ziemlich brav. Freuen sich aber um so mehr über mich und meine bunten Stifte. Mit denen ist es natürlich am leichtesten und schönsten zu arbeiten. Andere hatten besonders am die erste Stunde Angst vor mir weil sie mich nicht kannten und ich groß und weiß bin. Oder vielleicht einfach weil ich komische Haare habe ;)
So kam es in den ersten Stunden der Gruppen vor, dass einige Kinder geweint haben. Ne wirklich beschissene Situation. Was macht man mit einem weinendem Kind wenn man es nicht trösten kann? Gott sei dank, haben mich in den ersten Stunden sowohl die Teachers als auch die Eltern in solchen Situationen unterstützt.
Außerdem musste ich in meiner aller ersten Stunde herausfinden wie groß die Macht der Süßigkeiten bei Kindern in diesem Alter ist. Während ich nach der Stunde dem ersten Kind ein Candy in die Hand drückte, fing hinter meinem Rücken ein Kind das Weinen an. Nachdem ich dieses beruhigt hatte, (während sämtliche Leute mich dabei beobachtet haben wie ich mit der Situation kämpfte) und ihr auch ein Bonbon gegeben habe, war das dritte Kind schon einige Meter weiter gerannt und hat auch das weinen angefangen. Er ließ sich auch nicht mehr beruhigen, so habe ihm die Süßigkeit hingelegt und bin etwas verunsichert einfach weitergegangen. (Aus sicheren Quellen weiß ich, dass er es überlebt hat) Ausgerechnet bei meiner ersten Gruppe waren keine Eltern zur Hilfe vor Ort. Nach diesem etwas holprigem Anfang ist es mit den Kindern glücklicherweise nur noch besser geworden.
Von dieser Anekdote wieder zurück zu den Kindern: Denn es gibt noch diejenigen die ganz und gar nicht schüchtern sind, sondern vor schier endloser Energie sprühen. Statt ruhig sitzen zu bleiben und zu malen laufen sie im ganzen Raum herum und bombardieren mich mit Fragen, die ich oftmals nicht verstehe. Im Gegensatz zu Abends bin ich in solchen Situationen immer total motiviert Tagalog zu lernen.
Alles in allem macht die Arbeit mir unglaublich viel Spaß, obwohl ich im Moment noch mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfe habe. Man kann auch schon sagen, dass schon einiges viel routinierter geworden ist. Ich weiß auf welchem Stand die Kinder sind, mache mit ihnen auch schon verschiedene Arbeitsblätter und lerne ihnen, ihre Namen zu schreiben. Sowohl die Kinder als auch ich werden immer lockerer und sicherer im Umgang miteinander. Zudem bekomme ich mehr und mehr heraus wie man mit den Kids kommunizieren kann, sowohl mit Tagalog als auch mit Händen und Füßen. Es ist auf jeden Fall alles total aufregend!
Abschließend ist zu sagen, dass es wohl die richtige Entscheidung war uns ins kalte Wasser zu schmeißen, obwohl noch viel Wasser den Main hinunter fließen muss um sich an all die Gegebenheiten im Slum zu gewöhnen, z.B. dass manche Kinder offensichtlich nahe am Wasser gebaut sind und ich manchmal fast Blut und Wasser geschwitzt habe, weil mir in manchen Situationen das Wasser bis zum Hals stand, fühle ich mich dort schon beinahe so wohl wie ein Fisch im Wasser. (Jetzt muss ich erst ein mal kurz Wasser lassen). Ich würde mal sagen darin, so viele Wasser-Redensarten in in einen Satz einbauen, kann mir keiner das Wasser reichen. Diese gibt es aber auch wie Sand am Meer.


Zum Schluss noch ein kleiner Schnelldurchlauf an sonstigen Dingen die ich die letzte Woche hier so erlebt habe:
Vor einer Woche durften wir eine Gewitter, der etwas stärkeren Art miterleben. Wir waren Abends gerade auf einem Markt, als es in anfing in Ströme zu gießen und obendrauf schüttet es auch noch aus Eimern. Wir stellten uns mit vielen anderen Leuten Unter und beobachtet das Naturschauspiel. Irgendwo aus dem schwarzen Himmel ertönten Donner, als ob eine Wolke neben dem Ohr explodierte. Die dazugehörigen Blitze sorgten dann für eine vollkommene Gruselatmosphäre, die mit Respekt, Ehrfurcht und Faszination gut zu beschreiben ist. Nach etwa einer Stunde wurde der Regen etwas schwächer, sodass wir entschieden uns ein Taxi zunehmen und heimzufahren. Also Schirm auf und ab durch die Regen um ein Taxi zu suchen. Nach ungewöhnlich langem Warten fanden wir eins, dass uns mitnahm und uns durch das Zentimeter hohe Wasser Richtung Zuhause fuhr. Zwei Straßen vor unserem Ziel hieß es dann plötzlich: „Aussteigen“ Da eine Zwischenstraße vollkommen überschwemmt war konnten wir dort nicht weiterfahren und mussten durch kniehohes Wasser waten. Während wir versuchten uns einen Weg durch die Fluten zu bahnen, konnten wir beobachten wie die Anwohner dieser armen Gegend eimerweise Wasser aus ihren kleinen Häusern schöpften. Besonders gefährlich waren einige Stellen, an denen wohl die Gullideckel herausgehoben wurden damit der Regen besser ablaufen kann, dadurch entstanden aber Löcher in der Straße die man nicht sofort erkannte. Mit einem geschulten Auge konnte man kleine Strudel auf der Wasseroberfläche erkennen, die vor der Gefahrenstelle warnten. Schließlich kamen wir mit über 2 Stunden Verspätung bei den Salvatorianern an, die noch etwas Abendessen übrig hatten. Man hatte ich an dem Abend einen Hunger.

Außerdem waren wir am Sonntag mal in der Provinz außerhalb von Manila. Father Artur und Chris (von Puso sa Puso) haben uns zum Essen in ein „floating Restaurant“ eingeladen. Dabei handelte sich um ein paar idyllische Hütten am Rande eines riesigen Sees. Ringsherum waren exotische Pflanzen, Bäume und Reisfelder: Jede Menge Reisfelder. Aus der Großstadt raus zu kommen und wieder frische Luft zu atmen hat so richtig gut getan. Jeder Atemzug wurde doppelt genossen. Zudem war das Essen echt Spitze. Nach der anstrengenden Woche in Parola genau das richtige um ein bisschen zu genießen und relaxen.

Oh man, ist schon wieder viel länger geworden als ich mir das vorgestellt habe. Aber lesen hat ja noch Niemandem geschadet. Wenn du den Eintrag bis hierhin gelesen hast, gehörst du zu einer Gruppe von Intellektuellen die noch Texte, länger als Chatzitate, an einem Stück lesen können. Glückwunsch! Achja da du dir eh schon die Mühe gemacht hast: Über Feedback freue ich mich auch immer :)

Ich hoffe euch läuft das Wasser im Mund zusammen wenn ihr schon an meinen nächsten Blogeintrag denkt ;)
Also ByeBye und haltet den Kopf über Wasser.